Intuition und Körperweisheit.
In einer Welt, die oft von Lautstärke, Geschwindigkeit und äußeren Erwartungen geprägt ist, verlieren viele Mädchen den Zugang zu einer der wichtigsten Stimmen ihres Lebens: ihrer inneren Stimme.
Dabei ist sie immer da – leise, aber klar. Intuition und Körperweisheit sind Ausdruck einer tiefen Form des Wissens, die uns durch das Leben führt, wenn wir lernen, ihr zu vertrauen.
Dieser Artikel beleuchtet, warum die Verbindung zum eigenen Gefühl wissenschaftlich wie emotional eine Schlüsselfunktion für Selbstvertrauen und mentale Gesundheit hat – und wie Mädchen lernen können, ihre innere Weisheit wieder wahrzunehmen.

Was ist Intuition – und warum ist sie mehr als „Bauchgefühl“?
Der Begriff Intuition wird oft mit spontanen Entscheidungen oder einem vagen „Gefühl im Bauch“ gleichgesetzt. Doch psychologische Forschung zeigt, dass Intuition viel mehr ist:
Sie ist die Fähigkeit, unbewusste Erfahrungs- und Körperinformationen blitzschnell zu verarbeiten und in Entscheidungen zu übersetzen (Gigerenzer, Max-Planck-Institut, 2014).
Intuition ist also kein Gegensatz zu Verstand – sie ist eine andere Form von Intelligenz: verkörpertes Wissen.
In der Neuropsychologie spricht man vom „somatischen Marker“ (Damasio, 1994) – der Idee, dass der Körper emotionale Erfahrungen speichert und über Signale wie ein „gutes“ oder „mulmiges“ Gefühl Hinweise gibt, was stimmig oder unstimmig ist.
Gerade Mädchen profitieren davon, wenn sie lernen, diese Signale ernst zu nehmen. Denn in der Pubertät entsteht ein sensibles Zusammenspiel zwischen Körper, Emotion und Selbstbild. Studien belegen, dass Jugendliche, die lernen, Körperwahrnehmung und Emotionen bewusst zu verbinden, ein stärkeres Selbstwertgefühl und bessere Stressresilienz entwickeln (Mehling et al., 2018).
Körperweisheit: Die Sprache des Inneren verstehen.
Der Körper spricht ständig zu uns – durch Empfindungen, Spannung, Wärme, Leichtigkeit oder Unruhe. Doch in einer Gesellschaft, die oft auf Leistung, Aussehen und Kontrolle fixiert ist, wird diese Sprache leicht überhört.
Körperweisheit bedeutet, sich wieder daran zu erinnern, dass unser Körper nicht nur Hülle, sondern Kommunikationspartner ist.
In der Körperpsychologie wird betont, dass viele Entscheidungen und Gefühle zuerst körperlich spürbar sind, bevor sie bewusst gedacht werden (Merleau-Ponty, 1945; Shapiro, 2016).
Für Mädchen ist das besonders bedeutsam:
Die Pubertät verändert nicht nur den Körper, sondern auch die Beziehung zu ihm.
Wenn diese Veränderungen mit Scham, Fremdbildern oder Überforderung einhergehen, kann das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung verloren gehen.
Hier liegt eine zentrale Aufgabe in der Mädchenarbeit: Körperbewusstsein nicht als Kontrolle, sondern als Verbindung zu lehren.
Auf das eigene Gefühl hören – und sich selbst ernst nehmen.
Viele Mädchen spüren sehr genau, wenn etwas „nicht stimmt“ – sei es in Freundschaften, in Beziehungen oder in Situationen, in denen Grenzen überschritten werden.
Doch sie zweifeln an sich, relativieren oder schweigen, weil sie gelernt haben, angepasst zu sein.
Intuition bedeutet in diesem Kontext auch: Selbstachtung.
Zu sagen: „Mein Gefühl zählt.“
In der Präventions- und Empowermentforschung wird deutlich, dass die Fähigkeit, dem eigenen Körper und Gefühl zu vertrauen, eng mit Grenzsetzungskompetenz und Selbstwirksamkeit verknüpft ist (Krahé & Berger, 2017).
Mädchen, die lernen, auf ihr inneres Signal zu achten – ob Freude, Unwohlsein oder Neugier –, stärken damit ihre psychische Selbstbestimmung.
Sie lernen, ihre Entscheidungen aus sich selbst heraus zu treffen, statt sie nach außen zu delegieren.
Wege, die eigene Intuition zu stärken.
Für die pädagogische und coachende Arbeit mit Mädchen ergeben sich daraus zentrale Handlungsfelder:
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Körperbewusstsein fördern
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Durch Achtsamkeitsübungen, Bewegung, Tanz oder Atemarbeit.
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Ziel: Mädchen lernen, Empfindungen wahrzunehmen, ohne sie sofort zu bewerten.
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Gefühlsarbeit integrieren
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Gefühlslandkarten, Journaling oder Gespräche über körperliche Reaktionen.
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Ziel: Verknüpfung von Körperempfindung und Emotion → Förderung von Selbstwahrnehmung.
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Räume für Vertrauen schaffen
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Retreats oder Workshops, in denen Mädchen erleben: „Ich darf mir selbst glauben.“
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Durch geführte Meditationen oder Naturerfahrungen kann diese Verbindung intuitiv vertieft werden.
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Grenzarbeit mit Intuition verknüpfen
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Übungen: „Wie fühlt sich ein echtes Ja an? Wie spürt sich ein inneres Nein an?“
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Ziel: Mädchen lernen, körperliche Warnsignale nicht zu ignorieren, sondern zu respektieren.
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Intuition als weibliche Ressource.
In der Mädchenarbeit darf Intuition nicht romantisiert, sondern wertgeschätzt werden – als ernstzunehmende Kompetenz.
Sie ist Ausdruck von Erfahrungswissen, Empathie und Selbstwahrnehmung – Qualitäten, die lange kulturell unterschätzt wurden.
Neuere feministische Psychologie versteht Intuition als Teil von verkörperter Selbstbestimmung: Mädchen und Frauen dürfen sich auf ihr inneres Wissen berufen, anstatt es als irrational abzuwerten.
So wird Intuition zur Grundlage einer Haltung, die sagt:
„Ich vertraue meinem Gefühl – es ist mein Wissen.“
Fazit.
Intuition und Körperweisheit sind keine mystischen Konzepte, sondern essenzielle Bestandteile gesunder Persönlichkeitsentwicklung.
Mädchen, die lernen, auf ihr inneres Gefühl zu hören, entwickeln ein starkes Fundament für Selbstvertrauen, Grenzbewusstsein und Authentizität.
In einer Zeit, in der vieles im Außen laut ist, braucht es Erwachsene, die Mädchen zeigen:
Das leise Wissen in dir ist verlässlich.
Es führt dich – wenn du lernst, ihm zuzuhören.
Autorin: Rhea Seel
Mädchencoach & Referentin für ganzheitliche Aufklärung und Selbstwertbildung
Mädchenretreat: Girlscamp Mallorca | Sexuelle Bildung: Eva trifft Adam | Workshops & Einzelcoachings