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Selbstwert und Grenzen: Wie Mädchen lernen, sich selbst zu schützen

Selbstwert zeigt sich nicht darin, wie laut wir sind – sondern darin, wie klar wir für uns selbst einstehen.
Gerade Mädchen dürfen lernen, dass Grenzen nichts Trennendes sind, sondern Ausdruck von Selbstachtung.
Dieser Artikel zeigt, wie Mädchen durch Achtsamkeit, Selbstliebe und bewusste Kommunikation innere Stärke entwickeln – und sich selbst zu ihrem sichersten Ort machen.

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Von Rhea Seel, Expertin für ganzheitliche Mädchenarbeit

Mädchen in Jeans

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Einleitung

Selbstwert und Grenzen gehören zusammen wie Atem und Bewegung.
Nur wer weiß, was er wert ist, kann auch spüren, wo seine Grenze liegt.

Gerade Mädchen wachsen in einer Gesellschaft auf, die ihnen oft vermittelt: Sei nett, sei lieb, mach es allen recht. Doch diese Anpassung hat einen Preis.
Viele junge Frauen verlieren dabei den Kontakt zu ihrem inneren Kompass – zu dem Gefühl: Ich darf Nein sagen. Ich darf mich schützen.

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Selbstwert als innere Basis.

Selbstwert ist kein Zustand, sondern ein lebendiger Prozess.
Er entsteht, wenn Mädchen erleben, dass sie als Person wertvoll sind – unabhängig von Leistung, Aussehen oder Zustimmung.

Psychologisch beschreibt der Selbstwert das emotionale Fundament, auf dem Identität ruht (Rosenberg, 1965).
Wenn dieses Fundament brüchig ist, entsteht Unsicherheit: „Bin ich genug?“, „Darf ich so sein, wie ich bin?“
Studien zeigen, dass Mädchen in der Pubertät tendenziell einen stärkeren Einbruch im Selbstwertgefühl erleben als Jungen (Robins & Trzesniewski, 2002). Das liegt unter anderem an sozialem Vergleich, Körperbilddruck und internalisierten Rollenbildern.

Selbstwert ist daher kein Luxus, sondern eine Schutzfunktion.
Er ist das innere Wissen: Ich bin wertvoll – auch wenn jemand mich nicht versteht, nicht mag oder nicht wählt.

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Grenzen als Ausdruck von Selbstachtung.

Grenzen sind kein Zeichen von Härte, sondern von Selbstrespekt.
Sie markieren das Feld, in dem ein Mädchen sagen kann:

„Bis hierhin – und nicht weiter.“

Grenzen schützen nicht nur vor Überforderung, sondern auch vor emotionaler Vereinnahmung.
Sie machen Selbstwert sichtbar.

In der Bindungspsychologie gilt das Setzen von Grenzen als ein Ausdruck von innerer Sicherheit (Siegel, 2012).
Wer Grenzen benennen kann, signalisiert: „Ich kenne mich, und ich übernehme Verantwortung für mein Wohlbefinden.“

Fehlen klare Grenzen, entsteht oft das Gegenteil: Anpassung, Erschöpfung, ein diffuses Gefühl von „zu viel geben“ und „zu wenig sein“.
Viele Mädchen lernen früh, Harmonie über Authentizität zu stellen. Doch wer sich ständig anpasst, verliert die eigene Stimme.

Grenzarbeit bedeutet also nicht Trennung – sie bedeutet Klarheit.
Und Klarheit ist Liebe in reifer Form.

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Gesellschaftlicher Druck und innere Verunsicherung.

Der Druck, „richtig“ zu sein, beginnt heute früher als je zuvor.
Social Media, schulischer Leistungsdruck und Schönheitsideale erzeugen eine permanente Vergleichsdynamik.
In dieser Außenorientierung verlieren viele Mädchen das Gespür für die eigenen Bedürfnisse.

Die Folge:

  • sie spüren ihre Grenzen erst, wenn sie längst überschritten sind,

  • sie sagen Ja, obwohl sie innerlich Nein fühlen,

  • sie verwechseln Zustimmung mit Zuneigung.

Aktuelle Studien (APA, 2023) zeigen, dass Mädchen mit starkem sozialem Medienkonsum signifikant häufiger Symptome emotionaler Erschöpfung und Selbstzweifel entwickeln – insbesondere, wenn Likes oder Anerkennung mit Selbstwert verknüpft werden.

Die Arbeit mit Mädchen muss daher dort ansetzen, wo Selbstwahrnehmung und Selbstdefinition beginnen: im Inneren.

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Wege zu Selbstwert und Grenzbewusstsein.

Im Coaching, in Retreats oder Workshops kann Mädchenarbeit hier konkrete, stärkende Erfahrungen ermöglichen.

1. Selbstwahrnehmung trainieren

  • Achtsamkeitsübungen: „Wie fühlt sich mein Körper an, wenn etwas stimmig ist – und wie, wenn nicht?“

  • Reflexionsfragen: „Was gibt mir Energie? Was zieht sie mir?“

  • Ziel: Mädchen lernen, Warnsignale früh zu spüren.

2. Das Ja und Nein erforschen

  • Rollenspiele oder Körperübungen: bewusst Ja oder Nein sagen, die körperliche Resonanz spüren.

  • Ziel: Grenzen nicht nur kognitiv, sondern körperlich erfahren.

3. Selbstwert durch Selbstfürsorge stärken

  • Rituale, in denen Mädchen sich selbst etwas Gutes tun – ohne Rechtfertigung.

  • Dankbarkeits- und Selbstliebeübungen, die Erfolge und Qualitäten sichtbar machen.

  • Ziel: „Ich bin wertvoll, einfach weil ich bin.“

4. Kommunikation üben

  • Methoden aus der gewaltfreien Kommunikation (Rosenberg, 2015): Gefühle benennen, Bedürfnisse ausdrücken.

  • Ziel: Grenzen liebevoll und klar formulieren, ohne Schuldgefühle.

5. Räume schaffen, in denen Nein erlaubt ist

  • Mädchenkreise oder Retreat-Situationen, in denen Nein-Sagen nicht sanktioniert, sondern gefeiert wird.

  • Ziel: Erfahrung, dass Authentizität sicher ist.

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Selbstschutz als Akt der Selbstliebe.

Grenzen sind keine Mauern. Sie sind Türen, die wir bewusst öffnen oder schließen.
Wenn Mädchen lernen, dass Selbstschutz nichts mit Egoismus, sondern mit Selbstachtung zu tun hat, verändert sich ihr Verhalten grundlegend.

Selbstliebe bedeutet dann nicht, sich zu isolieren, sondern sich selbst treu zu bleiben – auch in Beziehung zu anderen.
Und genau hier liegt der Kern:

Selbstwert ist kein Gefühl, das man hat. Es ist eine Haltung, die man lebt.

Mädchen, die ihre Grenzen kennen und leben, wirken nicht distanziert, sondern authentisch.
Sie strahlen jene Ruhe aus, die aus innerer Klarheit entsteht – nicht aus Härte, sondern aus Würde.

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Fazit.

Selbstwert und Grenzen sind zwei Seiten derselben Medaille.
Ohne Selbstwert bleiben Grenzen unsicher. Ohne Grenzen bleibt Selbstwert ungeschützt.

Wenn Mädchen lernen, ihren Wert nicht vom Außen abhängig zu machen und ihre Grenzen als Ausdruck dieser Würde zu verstehen, entsteht echte Stärke – leise, klar und stabil.

Die Aufgabe von Pädagoginnen, Coachinnen und Mentorinnen besteht darin, Räume zu schaffen, in denen Mädchen diese Haltung erproben dürfen:
Räume, in denen Nein gesagt werden darf, ohne Liebe zu verlieren – und Ja gesagt werden darf, ohne sich zu verlieren.

Denn genau dort beginnt Selbstschutz:
in der Gewissheit, dass man sich selbst vertrauen darf.

 

Autorin: Rhea Seel
Mädchencoach & Referentin für ganzheitliche Aufklärung und Selbstwertbildung
Mädchenretreat: Girlscamp Mallorca | Sexuelle Bildung: Eva trifft Adam | Workshops & Einzelcoachings

Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

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